Im folgenden soll über die Entwicklungsphasen berichtet werden, die jeder Welpe durchläuft, über die Veränderungen, die er dabei in ethologischer und körperlicher Hinsicht erfährt und welche Konsequenzen die Züchter und Hundehalter daraus ziehen sollen.
Nach Scott und Fuller durchläuft der Welpe folgende Phasen:
die Neugeborenen-Phase (1.-2. Woche)
die Übergangsphase (2.-3- Woche)
die Sozialisierungsphase (3.-12. Woche) mit dem Höhepunkt der 6.-8.Woche
die Jugendphase (bis zur sexuellen Reife)
In der Neugeborenenphase sind die Augen und Ohren geschlossen. Bei Neugeborenen sind keine Hirnströme feststellbar, was sich mit 3 Wochen ändert und mit 7-8 Wochen voll entwickelt ist. Die Ursache: die Myelinsierung der Nervenfasern im Gehirn ist noch nicht vollzogen, weshalb die Reizleitung zu langsam erfolgt. Aber erst im Alter von 4 Monaten ist das Gehirn in der Lage Reize restlos zu verarbeiten.
Die Übergangsphase beginnt mit dem Öffnen der Augen. Dennoch sind Welpen dann nicht sofort sehfähig, da die Retina erst mit 6 Wochen voll entwickelt ist. Als Folge der Unterentwicklung des Gehirn, ist das Riechvermögen zunächst nicht oder nur gering ausgebildet. Somit besitzt der Welpe noch kein Geruchunterscheidungsvermögen. Das Finden der Milchquelle beruht auf einem einzigen Geruchsreiz. Somit sind alle Sinne, auf die der ausgewachsene Hund später angewiesen ist, noch völli8g unterentwickelt. Dennoch ist der Welpe dringend auf Umweltkontakte angewiesen, die er zunächst über den Tast-, Kälte-, Wärme- und Gleichgewichtssinn herstellt. Deshalb bestehen seine Beziehungen zur Umwelt nur aus Fühlen und Reflexen.
In der Sozialisierungsphase entwickelt sich der optische, akustische, sowie Geruchssinn, wodurch es dem Welpen möglich ist, seine Umwelt ohne direkten Körperkontakt wahrzunehmen und zu erkunden. Deshalb verlieren sich jetzt auch viele Reflexe, weil sie nicht mehr benötigt werden. Alles, was die Umwelt ihm bietet, wird aufgenommen. Erkanntes wird fortan vertraut sein. Ihm prägt sich ein, was angenehm und unangenehm ist. Somit beginnen einfache Assoziationen sein Handeln zu bestimmen.
In diese Zeit fällt auch die sogenannte kritische Phase, ein Zeitraum, in dem bestimmte Reifungsprozesse besonders schnell und leicht vollzogen werden. Vorher ging der Welpe auf Neues und Ungewohntes neugierig zu. Ab der 7. Woche zeigt er Furcht, sobald er in seiner Umwelt nichts Vertrautes vorfindet. Er ist jetzt in der Lage, zwischen Fremdem und Vertrautem zu unterscheiden. Diese Phase erreicht mit der 12. Woche ihren Höhepunkt: Die übergroße Angst macht es dem Welpen in dieser Phase unmöglich, neue Beziehungen anzuknüpfen. Dadurch wird allerdings die soziale Bindung innerhalb der bekannten Gruppe (Wurfgeschwister, Meute, Ersatzmeute) gefestigt, denn der Welpe sucht die Nähe vertrauter Gestalten. Diese Bindung wird durch die täglichen Erlebnisse verstärkt und bildet letztendlich die Grundlage für das spätere Gruppenverhalten. Fehlende Sozialisierungsprozesse wirken sich später wie Hirnverletzungen aus, denn jetzt werden Verhaltensweisen entwickelt, ein Grundgedächtnis und Schaltbahnen (Synapsen) im Gehirn bilden sich. Die Entwicklung letzterer ist mit 49-56 Tagen abgeschlossen.
Das Angsthaben ist genetisches Erbe des Wolfes. Die Angst vor Fremdem ist für den Wolfswelpen wichtig, hindert sie ihn doch daran, das vertraute Territorium zu verlassen.
Mit der 5.-6.Woche beginnen die Welpen gemeinsame Unternehmungen. Im Spiel miteinander entwickeln sich die ersten Anfänge der Rangordnung.
Die Sozialisierungsphase ist insofern für die normale Entwicklung des Welpen so bedeutungsvoll, da sie eine Prägungsphase darstellt.
Was der Welpe jetzt lernt, prägt ihn praktisch für sein ganzes Leben. Andererseits kann Versäumtes nicht oder nur schwer nachvollzogen werden. So lernt er jetzt, zu welchen Lebewesen er gehört. Auch die soziale Bindung an den „Ersatzmeutegenossen“ Mensch findet jetzt statt. Er lernt seine Umwelt und deren Gerüche kennen. Die „Sprache“ zum Aufbau sozialer Bindungen ist dem Welpen zwar angeboren, aber nicht, sie zu verstehen.
So muss er lernen, die „Sprache“ mit der sich seine Meutemitglieder verständigen, zu verstehen und sie selbst richtig anzuwenden.
Somit werden in der Sozialisierungsphase die Grundlagen des Verhaltens gelernt. Am Ende der Phase hat sich jeder Welpe innerhalb der Gruppe seiner Wurfgeschwister einen bestimmten Platz erobert. Die Meutemitglieder sind eng miteinander verbunden, und das
Verhältnis zueinander ist geregelt.
Welche Konsequenzen können die Züchter, die Hundehalter, bzw. Welpenkäufer, aus diesen Erkenntnissen ziehen? Da bei den beiden ersten Entwicklungsphasen das Gehör noch nicht funktionsfähig ist, ist die Methode einiger Züchter völlig sinnlos, in diesem Alter durch Schussabgabe und Lärmen, die Welpen möglichst früh an derlei Krach zu gewöhnen.
Sehr viel wichtiger ist die Sozialisierungsphase. Hier sind die Züchter und Welpenkäufer aufgerufen, die Entwicklung der Welpen entsprechend zu berücksichtigen und zu fördern. Da die Welpen durchweg bis zur 8. Woche in der Hand des Züchters verbleiben, trägt er auch die Verantwortung für die Entwicklung eines Teils dieser Phase. Die Gesundheit des Welpen ist zwar wichtig, aber bei weitem nicht alles. Die wichtigste Entscheidung, wie der Hund später sein wird, fällt in den ersten Wochen. Es genügt nicht, die Welpen sobald sie sehen, hören und riechen können und herumlaufen, bis zum Verkauf nur fressen und wachsen zu lassen. Beobachtet man während dieser Entwicklungsphase das Verhalten der Hündin, so stellt man eine grundlegende Verhaltensänderung fest. Bis jetzt wurden die Welpen von ihr intensiv betreut. Von nun an lässt sie die Welpen immer häufiger allein. Die Engelsgeduld der Hündin ist jetzt vorbei. Die Welpen werden angeknurrt, wenn sie ihr lästig fallen, mit Schnauzenstößen fortgestoßen, es kommt auch zu Kneifbeißen und Zu-Boden-Drücken. Im Wolfsrudel übernehmen jetzt die anderen Rudelmitglieder wichtige Funktionen in der Erziehung der Welpen. Beim Hund ist jetzt der Mensch (Züchter) aufgerufen, aber nicht allein wegen der Prägung auf den späteren Meutegenossen Mensch, sondern um den Welpen Möglichkeiten zu verschaffen, in dieser Zeit nicht zu verdummen. Die Welpen müssen viele Erfahrungen machen, negativer, wie auch positiver Art. Dazu gehört das Spielen mit den Welpen, denn Wolfswelpen beziehen die anderen Rudelmitglieder in ihr Spiel mit ein. Und hierbei können den Hundewelpen getrost Tabus gesetzt werden, wenn ihr Spiel gar zu hemmungslos wird. Das Spielen der Welpen miteinander ist für deren normale Entwicklung eine Notwendigkeit, werden hierbei doch wichtige Verhaltensweisen eingeübt und kristallisieren sich dabei auch bestimmte Dominanzverhältnisse heraus.
Selbstverständlich ist das Spiel meistens mit Lärm verbunden. Völlig falsch ist es nun, wenn der Züchter, mit Rücksicht auf die Nachbarn, mittels eines kalten Wasserstrahls jegliches Lärmen zu unterbinden versucht.
Wie wichtig das Spielen für die Welpen ist, zeigen Versuche von Scott und Fuller. Isoliert aufgezogene Welpen zeigten mit 16 Wochen ein Spielverhalten, das für sehr viel jüngere Tiere typisch ist. Sie waren also in ihrer Entwicklung zurückgeblieben. Brachte man diese Isolationswelpen mit normal aufgezogenen Welpen zusammen, zeigten sie Angst und Demutsverhalten, wenn die Meute auf sie zutobte, denn sie verstanden deren „Sprache“ nicht.
Die Körpersprache ist zwar - wie oben erwähnt – angeboren, aber nicht, sie zu verstehen. Diese Begegnung mit den normal aufgewachsenen Welpen hatte insofern einen prägenden Charakter, als die Isolationswelpen ihr Leben lang eine Demutshaltung einnahmen, sobald sie einem anderen Hund begegneten. Sie waren somit immer die letzten im Dominanzgefüge.
Zu dem Sammeln der Erfahrungen gehört auch die Erkundung der Umwelt. Es genügt einfach nicht, die Welpen im Zwinger groß werden zu lassen. Man muss ihnen Anreize zum Entdecken geben, damit sie Eindrücke sammeln können. Hunde, wie alle höher entwickelten Säuger, zeigen ein ausgesprochenes Neugierverhalten, was sich darin zeigt, dass alles Neue, alles Unbekannte untersucht wird. Und diese Reize muss der Züchter seinen Welpen liefern. Wenn sie die nähere Umgebung des Zwingers erkundet haben, oder wenn der Zier- und Gemüsegarten keinen Schaden nehmen soll, kann man sie ins Auto laden und mit ihnen ins Revier fahren. Wenn man damit vor der 7. Woche beginnt, kennen sie dieses stinkende und lärmende Vehikel bereits, wenn mit der 7. Woche die Angstperiode beginnt. Dieses scheint mir auch insofern sehr wichtig zu sein, als die meisten Welpen mit den Käufern mit dem Auto abgeholt werden. Das Revier bietet ihnen dann viele neue Reize, die verarbeitet werden müssen.
Diese Reviergänge kann man mit zunehmendem Alter der Welpen immer weiter ausdehnen, so dass in der 7. und 8. Woche schon Ausflüge von mehreren Kilometern unternommen werden können. Völlig falsch ist es, wenn in dieser Zeit ein Züchter bzw. Hundehalter niemanden an seine Welpen heran lässt. Scott und Fuller untersuchten Welpen, die in einer besonders abwechselungsreichen Umwelt aufgewachsen waren, und verglichen sie mit anderen Welpen.
Die Ergebnisse waren wie folgt:
Aber die beste Aufzucht nützt nichts, wenn der Welpe nach dem Verkauf bei dem neuen Besitzer fast ständig im Zwinger gehalten wird. Der Welpenkäufer muss da fortfahren, wo der Züchter aufgehört hat. Den Beweis liefern die Versuche von Scott und Fuller.
Zusammenfassend soll festgehalten werden: Hundewelpen kommen relativ unterentwickelt zur Welt und müssen in ihrer Jugend sehr viel lernen. Dazu ist es nötig, dass sehr viele Kontakte herbeigeführt werden. Kontakte mit Menschen und anderen Hunden. Daneben muss ihnen Gelegenheit gegeben werden, reichliche Umwelterfahrungen zu sammeln.
Für die Welpen wäre es vorteilhaft, wenn sie nicht, wie üblich, mit 8 Wochen, sondern bereits mit 6-7 Wochen abgegeben würden, und zwar aus folgenden Gründen:
In der 8. Woche erleben die Welpen den Höhepunkt der Sozialisierungsphase. Sie sind dann bereits in der Hand des neuen Besitzers, der Sozialisierungsprozess verläuft reibungsloser.
In der 7. Woche setzt die Angstphase ein. Sind sie zu diesem Zeitpunkt in der neuen Umgebung, ist sie ihnen bei Einsetzen der Angstphase bereits vertraut. Hinzu kommt, dass sie neben dem Umgewöhnungsstress auch noch die Erziehungsmethoden des Käufers über sich ergehen lassen müssen, was ihr Angstgefühl noch verstärkt.
Im Folgenden sollen einige praktische Tipps für Züchter und Welpenkäufer aufzeigen, was man mit den Welpen, bzw. Junghunden tun kann, um eine möglichst optimale Aufzucht und Erziehung bereits im Jugendalter zu erreichen. Da ist zunächst die so entscheidende Sozialisierungsphase, in der sich Züchter und Welpenkäufer die Aufgabe teilen.
Beide sollten bemüht sein, die Welpen mit vielen Menschen in Kontakt zu bringen,
ab der 6. Woche sollte man mit den Welpen Spaziergänge machen. Zunächst kann man sich auf das eigene Grundstück beschränken, oder man packt die ganze Gesellschaft ins Auto und fährt mit ihnen ins Revier. Niemals sollte man dabei die Mutterhündin mitnehmen, denn die Welpen sollen doch auf den Menschen geprägt werden.
Zunächst werden sich die Welpen nicht weit von der ihnen vertrauten Umgebung weglocken lassen. Aber von Tag zu Tag entfernen sie sich immer weiter von ihrer vertrauten Umgebung, um ihrem „Meutegenossen“ Mensch zu folgen. Das ist dann die Ausgangsbasis für alle Unternehmungen, um die Welpen mit ihrer Umwelt vertraut zu machen, damit sie ständig neue Eindrücke sammeln können.
durch das Fahren ins Revier wird die Assoziation mit dem Auto zu einem freudigen Ereignis.
Bekanntschaft mit anderen Tieren: Kühen, Pferden, Schafen und eventuell auch Wild.
Bekanntschaft mit Disteln und Brennnesseln.
Der Führer springt über einen Graben und lockt die Welpen hindurch.
Der Führer lockt die Welpen durch flaches und später immer tieferes Wasser
Wandern über Brücken und Stege.
In dieser Zeit kann man die Welpen, und später auch die Junghunde, ruhig an totem Wild jeglicher Art zerren lassen.
Bei allen Spaziergängen sollte man die Welpen hin und wieder rufen und darauf achten, dass sie auch kommen. Hin und wieder sollte man sich auch nach ihnen bücken oder auf den Boden legen und die herbeistürmende Meute freudig begrüßen und mit ihnen spielen.
Man sollte es keineswegs versäumen, den Welpen hin und wieder Tabus zu setzen, so wie es in der natürlichen Meute geschieht. Sollte z.B. ein Welpe zu stürmisch beißen, kann man ihm ruhig einen Klaps geben. Sonst erreichen wir bei unseren Hunden das, was uns die gewaltlose Erziehung mit den sogenannten „Nonfrustation-cildren“ beschert hat., nämlich chaotische Typen, die keinerlei soziale Normen kennen und respektieren.
In der Jugendphase kann man viele der oben angeführten Methoden und Maßnahmen fortführen.
Hierzu bieten sich die von vielen Kreisgruppen, Hegeringen, Zucht- oder Jagdgebrauchshundvereinen angebotenen Welpenspiel- und Früherziehungstage an. Der Junghund lernt hierbei viele junge Hunde unterschiedlicher Rassen kennen. Unter Anleitung erfahrener Ausbilder lernen die Junghunde fundamentalen Gehorsam und viele Dinge mehr.
Steht einem Junghundbesitzer dergleichen nicht zur Verfügung, dürfte es nicht schwer sein, sich mit einigen anderen Junghundbesitzern zu verständigen zwecks regelmäßiger Treffs.
-Ein wichtiges Instrument für die Früherziehung ist die Reizangel. Ein langer Stock mit Band und einem Stück Rehdecke / Sauschwarte oder desgleichen dient dazu, die jungen Hunde zum Hetzen zu bringen. Man kann hiermit auch die Vorstehanlage gut fördern. Man kann mit der Reizangel die jungen Hunde auch durch das tiefe Wasser locken.
Recht früh sollte man auch mit der Futterschleppe beginnen, als Vorübung für die Schweißarbeit. Ein Stück Pansen wird über eine zunehmend längere Entfernung gezogen. Nach einer ständig gesteigerten Stehzeit lässt man den Hund die Fährte am Schweißriemen ausarbeiten, an deren Ende stets das Futter lockt, wobei dann unterwegs hin und wieder auch ein Futterbrocken als Verstärker dient.
Es ist wichtig, den Junghund möglichst früh an den Autoverkehr und Straßenlärm zu gewöhnen, indem man mit dem angeleinten Hund in der Nähe einer stark befahrenen Straße spazieren geht.
Dies sind einige Anregungen für die Züchter und Besitzer von Junghunden. Natürlich gibt es noch viele andere Möglichkeiten, der Phantasie ist dabei keine Grenze gesetzt. Die Hauptsache ist jedoch, dass wir unsere jungen Hunde während der Entwicklungszeit optimale Bedingungen bescheren, um sehr lernfähige und wesensstarke Jagdgesellen zu haben.
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